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Mediationsgesetz fördert nicht die Bekanntheit von Mediation

Für die meisten Menschen, die nicht professionell mit juristischen Aktivitäten befasst sind, ist es eine unangenehme Vorstellung, vor Gericht zu gehen. Dass dennoch so viele Verfahren vor Gericht landen, muss daher andere Ursachen haben - es ist jedenfalls nicht das von der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland präferierte Verfahren.

Dieses Alltagswissen bestätigt jetzt der neueste Roland Rechtsreport. Mediation stellt eine professionelle Alternative für die Beilegung von Konflikten dar. Mit dem MediationsG (Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung) existiert seit 2012 eine gesetzliche Regelung für Mediation in Deutschland. Viele Mediatoren haben damit die Hoffnung verknüpft, dass sich dadurch der Bekanntheitsgrad dieses innovativen Verfahrens erhöhen wird. Der Report gibt uns nun Zahlen dazu.

Gaben 2010 nur 57% der Befragten an, von Mediation gehört zu haben, so sind es 2014 immerhin schon 68%. Nur, hängt das mit dem MediationsG zusammen? Ich halte das für fragwürdig. Die größte Steigerung gab es zwischen 2010 und 2011 von 57% auf 65%. Seitdem das MediationsG in Kraft getreten ist, sind dann nur noch 3% hinzugekommen. Meines Erachtens hat das Mediationsgesetz damit nicht wesentlich zur Förderung der Bekanntheit der Mediation beigetragen. Für mich stellt es sich eher so dar, dass die Studie bestätigt, dass die Mediation aufgrund anderer Faktoren immer bekannter wird. Über diese Faktoren kann man nur spekulieren. Nach meiner Ansicht gehören zu den wesentlichen Faktoren schlichte demographische Aspekte.

Zunehmend kommen Menschen in verantwortliche Positionen, die die Mediation bereits in ihrer Schul- und Hochschulbildung kennen gelernt haben. Eine neue Generation kommt, für die es selbstverständlich wird, auch bei der Lösung von Konflikten aus verschiedenen Wegen auswählen zu können. Die Schulbildung ist jedenfalls ein entscheidender Faktor wenn es um die Frage der Bekanntheit von Mediation geht. Zwar haben immerhin 53% derjenigen, die eine einfache Schulbildung haben bereits von Mediation gehört. Bei denjenigen mit einer höheren Schulbildung sind es bereits 84%. Die Art wie eine Gesellschaft mit Konflikten umgeht kann als wesentliches Kriterium für seine Zivilisiertheit verstanden werden. Werden Konflikte mit Macht, Gewalt, Terror und Autorität entschieden, so befinden wir uns in einer repressiven Welt. Werden Konflikte dagegen friedlich durch das gemeinsame Gespräch und intensives Bemühen um ein vertieftes Verständnis für die Bewegründe aller Beteiligten verhandelt und dient das gemeinsame Ringen der Schaffung einer Lösung, die für alle Beteiligten positiv ist, dann befinden wir uns in einer Welt mit einer starken, selbstbewussten Zivilgesellschaft.

So verstanden ist Mediation ein Seismograph für die demokratische Kultur einer Gesellschaft. In Deutschland steht die Bevölkerung der Mediation skeptisch bis offen gegenüber. Auch hierzu gibt der Roland Report Auskunft. Interessant ist, dass das Vertrauen und die Skepsis in das Verfahren sich in den letzten 5 Jahren kaum bewegt hat - falls überhaupt, dann hat das Vertrauen etwas abgenommen. Dies wiederum mag damit zusammen hängen, dass in der öffentlichen Wahrnehmung die Konflikte in der Welt immer mehr zunehmen und immer gewalttätiger und bedrohlicher werden. Je bedrohlicher die Gegenwart wahrgenommen wird, desto stärker wird aber die Sehnsucht nach Schutz. Was bedeutet das nun alles? Meine Zusammenfassung ist: Es gibt eine große Sehnsucht nach friedlichen, konsensualen Konfliktbeilegungen. Insofern stehen wir Mediatoren in der Pflicht durch professionelle Arbeit auf allen Ebenen der Konfliktbeilegungen zu überzeugen. Dabei haben wir alle Möglichkeiten, denn Mediation ist das einzige Konfliktregulierungsverfahren, das seinem Wesen nach unbeschränkt eingesetzt werden kann.

Je besser wir in allen Einsatzgebieten der Mediation - sei es Trennung und Scheidung im Familienbereich, seien es Konflikte in Familienunternehmen, seien es Auseinandersetzungen im Gesellschafterkreis oder schulische Konflikte, seien es Bürgerbeteiligungsverfahren oder Multi-Stake-Holder Verhandlungen im nationalen oder internationalen Rahmen - wo auch immer -  je besser wir arbeiten, desto mehr wird Mediation als positive Variante von Konfliktbeilegungen erlebbar und wahrgenommen und desto mehr werden Menschen sie in Anspruch nehmen, um auch im Konfliktfall als autonome Bürger, die selbst entscheiden, handeln zu können. Gerade in einer Zeit in der viele Gruppen ein Interesse daran zu haben scheinen, die Welt unsicher zu machen, damit ihre Macht umso sicherer scheint, ist es geboten, die Kultur des menschlichen Miteinanders weiter zu entwickeln und unsere Zivilgesellschaft zu stärken: lokal, regional, national, europäisch und global.

Der mediative Ansatz ist dazu wie kein anderer geeignet - nutzen wir ihn.