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Mediation braucht Freiheit

Wie können wir die Mediation fördern?

von Dr. Thomas R. Henschel

Mediation kann man nicht mit Gesetzen und Zertifizierungsstellen fördern. Man engt sie damit nur ein und beraubt sie der Freiheit, die sie braucht wie die Luft zum Atmen. Der Gesetzgeber wird daher der Mediation den besten Dienst erweisen, wenn er die Forderungen nach mehr Kontrolle und Regularien zurückweist und die Freiheit verteidigt.

Allgemein ist jetzt Bestürzung über die Inhalte des Evaluationsberichtes zu den Auswirkungen des Mediationsgesetzes groß. Schnell sind auch die Schlussfolgerungen gezogen und von überall her kann man Lösungsvorschläge bekommen: „Man müsse die Qualität der Mediation sichern. Dafür müsse die Qualität der Ausbildung reguliert und überprüft werden. Es braucht einheitliche Zertifizierungen durch übergeordnete Stellen (den Verbänden), damit der Kunde sich orientieren kann.“ „Man muss die Mediation finanziell fördern, dass ginge am besten durch eine Mediationsbeihilfe.“ „ Man muss die Mediation in bestimmten Bereichen verpflichtend machen, das würde wenigsten die Gerichte entlasten.“

Es mangelt also nicht an Ideen und Vorschlägen, wie eine staatliche Förderung der Mediation in Deutschland verbessert werden kann. Nun, ist keiner dieser Vorschläge wirklich neu, viele spiegeln Interessen derjenigen wieder, die sie jetzt wieder hervorholen. 

Vielleicht ist aber staatliche Förderung gar nicht unser Thema? Wir wissen ja jetzt nur, dass ein Gesetz keinen messbaren Einfluss auf die Anzahl der Mediationsfälle hatte. Ist deshalb die Mediation in Gefahr? Geht es wirklich darum, die Vermarktung und das an-den-Mann und an-die-Frau-bringen der Mediation zu fördern? Vielleicht geht es bei der Frage der Förderung der Mediation um etwas ganz anderes.

Alle, die Mediation machen und immer wieder erleben, wie dadurch Menschen bessere Lösungen für schwerwiegende Konflikte und Probleme finden können, wünschen sich, dass mehr Menschen diese Erfahrungen machen können. Selbstverständlich wissen wir auch, dass eine Gesellschaft, in der Konflikte mediativ, eigenverantwortlich und konsensual gelöst werden, innovativer und lebenswerter ist, als eine Gesellschaft in der die Menschen ihre Konflikte an eine höhere Autorität delegieren oder gar nicht angehen. Insofern kommt der Frage danach, was es braucht, damit mehr Menschen Mediation machen, eine wesentliche Bedeutung zu.

Kann ein Gesetz gesellschaftliche Veränderungen bewirken?

Doch lassen wir uns von einem Evaluationsbericht zu einem Gesetz nicht in die Irre leiten. Dass das Mediationsgesetz nicht zu einem sprunghaften Anstieg der Mediationsfälle in Deutschland geführt hat, konnte nur diejenigen überraschen, die glauben, dass Gesetze gesellschaftliche Entwicklungen befördern. Dabei ist es umgekehrt: Erst kommt die gesellschaftliche Veränderung und dann folgt die staatliche Regulierung. So war es mit der Ehe für Alle, so erleben wir es bei der Individualisierung der Gesellschaft und so ist es auch im Bereich der Mediation.

Was braucht es, um sich auf Mediation einzulassen?

Wir Praktiker wissen, welchen Weg Parteien gehen, um sich auf Mediation einzulassen. Es ist ein Wagnis, sich im Konflikt der anderen Konfliktpartei auszusetzen. Erst wenn man persönlich erlebt, wie sorgfältig der Mediator/die Mediatorin, das Setting plant, die Gespräche strukturiert und Räume schafft, in denen sprechen, zu hören und im besten Fall gemeinsames Nachdenken möglich werden – erst dann bildet sich ein – meist erstauntes – Vertrauen in die eigene Fähigkeit Konflikte in einem Gespräch selbst und eigenverantwortlich gemeinsam zu lösen.

Mediation ist Ausdruck einer zivilen Streitkultur – wie sieht es da in Deutschland aus?

Wenn wir über Mediation sprechen, dann sprechen wir über die Streitkultur in Deutschland. Wie ist es um die bestellt? Dazu schweigt leider der Evaluationsbericht. Daraus kann man jetzt aber keinen Vorwurf für die Forscher ableiten. Es war nicht Teil ihres Auftrages. Wir sollten uns aber diesen verengenden Blickwinkel, der zu Verzerrungen führt, nicht zu Eigen machen. Die Streitkultur in Deutschland hat vielfältige Facetten. Unser Bild von ihr ist abhängig davon, wohin wir unseren Blick richten. In der Politik herrscht - zumeist im Licht der Medien - eine Streitkultur des Kampfes vor. Da treffen sich Politiker zu Duellen, es werden Punkte vergeben und ausgezählt, wer eine Runde gewonnen oder verloren hat. Wer etwas näher dran ist, weiß, dass in Ausschüssen und in den Ministerien durchaus auch kooperativ um die besten Lösungen gerungen wird – doch in der medial vermittelten Welt des Kampfes gilt das dann nur als Kompromiss – nie als Lösung.

Die offene Gesellschaft lebt vom Dialog und Austausch. Sie ist auf die freiwillige Mitwirkung aller angewiesen. Zu einer Streitkultur des Dialoges gehört auch, dass man den Feinden der offenen Gesellschaft entschieden und klar entgegentritt. Hier erlebt Deutschland gerade wieder eine Zeit der Herausforderungen und es bleibt abzuwarten, ob die deutsche Streitkultur daran wächst oder wir uns dieser Herausforderung nicht gewachsen zeigen.

In Unternehmen erleben wir oft, dass in den Teams eine Kultur der Konfliktvermeidung vorherrscht. Probleme werden meist hinter vorgehaltener Hand angesprochen und Konflikte im Grunde gerne vermieden. Unternehmen, die Konflikte als Selbstverständlichkeit und den offenen Umgang damit als Teil ihrer Firmenphilosophie behandeln, sind nach wie vor die Ausnahme. Zu groß ist die Sorge vor Beschädigungen und Verlusten. Der Preis dafür ist jedoch enorm. Als erstes leidet die Innovationsfähigkeit der Unternehmen. Dies führt dann zur Verleugnung von Problemen, was dazu führen kann, dass wesentliche Zukunftsmärkte übersehen und Fehler nicht angesprochen werden. Kritisches Feedback und offener Austausch sind auch in der Wirtschaft der Treiber für Innovationen. Ein weiteres kommt hinzu: Hohe Krankenstände und Burn-outs, um nur die auffallendsten Indikatoren zu nennen. Alleine sie sind im letzten Jahr um 80% gestiegen. Menschen leiden unter einer Unternehmenskultur, in der Konflikte nicht konstruktiv bearbeitet werden.

In Familien zeigt sich vielfach ein ähnliches Bild – wir weichen Konflikten aus, oder erleben ihre unkontrollierte Eskalation mit verehrenden Folgen – so dass wir uns darin bestätigt sehen, Konflikten eher aus dem Weg zu gehen.

Wie reagieren Menschen auf Konflikte?

Konflikte sind belastend und anstrengend. Auf Konflikte reagieren wir Menschen seit jeher mit einer „meide-es“ Reaktion. Hirnforscher können das mittlerweile recht gut erklären und es macht evolutionär auch Sinn, dass man Konflikten, wo immer möglich, aus dem Weg geht. Erst wenn eine Flucht nicht möglich ist, stellen wir uns zum Kampf und da geht es dann darum zu gewinnen, damit man nicht verliert. Läuft es ziviler ab, so richten wir uns nach dem Gesetz und unterwerfen uns dem Recht. Konsensuale Lösungen sind dem vorbehalten, was Daniel Kahnemann das „langsame Denken“ nannte.

Wir müssen dafür nachdenken, Gründe überprüfen, uns selbst reflektieren, uns als soziales und zum Mitgefühl fähiges Wesen erkennen und dem Gegner das Gleiche zu erkennen – wodurch er vom Gegner zum Konfliktpartner wird. Wir müssen darüber hinaus mit dem Konfliktpartner in den Dialog treten, da die Wahrheit , wie es Hannah Arendt einmal treffen ausgedrückt hat, nur im Dialog zu finden ist. Eine grossartige komplexe kognitive, emotionale und kulturelle Leistung. Wir sind dazu fähig und Menschen tun dies überall auf der Welt jeden Tag und in jedem Augenblick. Wir sind darin so gut, dass wir bis heute als soziale Spezies überlebt haben. Aber wir tun dies nicht aufgrund eines Gesetzes, sondern weil wir gelernt haben, wie wir Konflikte konsensual lösen können. Mediation ist ein Kulturgut der Menschheit. Sie braucht nicht nur individuelle Fähigkeiten, die man erlernen kann, sondern sie braucht auch ein gesellschaftliches und kulturelles Umfeld, das konsensuale Lösungen wertschätzt.

Mediation ist ein Kulturgut

Kulturen und Gesellschaften ändern sich nicht über Nacht. Eine Streitkultur hat viele Facetten - auch in der historischen Perspektive. Zu unserer Streitkultur gehören der kritische Diskurs und der Wettstreit der besten Ideen genauso, wie Autokratie, Gehorsam, Unterwerfung und die Vernichtung aller humanistischen Werte. Wie aber stellt man sicher, dass die notwendigen Differenzen und Spannungen konstruktiv und zivil gelöst werden?

Wie also fördert man eine zivile Streitkultur? Diese Frage scheint mir nach alledem hinter der Frage zu stehen, wie man Mediation fördern kann. Was braucht Deutschland, damit sich seine Streitkultur weiter entwickelt? Schaut man also weiter als der Evaluationsbericht der Bundesregierung und öffnet man insbesondere den Blick für das was Historiker den longé durée nennen, so sieht man Felder und Perspektiven, die uns nicht ganz so hoffnungslos zurück lassen. Wir brauchen gar nicht so weit zurück zu schauen. Es ist keine 20 Jahre her, da war Mediation tatsächlich etwas Exotisches. Etwas, das von den meisten Profis der Konfliktbearbeitung abgelehnt wurde.

Und heute? Jede Anwaltskanzlei, die etwas auf sich hält, hat auch Mediation im Angebot. Fragt man die Anwälte wieso sie das machen, so erfährt man, dass Mediation heute von ihren Mandanten nachgefragt wird, dass dort also ein Markt ist. Darüberhinaus sind die Anwälte davon überzeugt, dass Anwalt sein bedeutet, eine umfassende Beraterpersönlichkeit zu entwickeln und dazu gehört selbstverständlich auch die Mediation. Das gleiche Bild entwickelt sich seit einigen Jahren bei den Steuerberatern. Sie sind noch näher an ihren Klienten dran und erfahren von potentiellen und tatsächlichen Konflikten meist als erste. Da liegt es nahe, dass Steuerberater auch Mediation in ihr Portfolio aufnehmen, um ihr Dienstleistungsspektrum (auch im Angesicht der Digitalisierung) sinnvoll zu erweitern. Der deutsche Steuerberaterverband hat daher vor einigen Jahren den Fachberater für Mediation eingeführt und fördert dadurch die Weiterentwicklung seines Berufsstandes.

Und wie sieht es auf der Kundenseite aus? In vielen Unternehmen ist Coaching heute ein selbstverständliches Instrument geworden. Auch dies eine Entwicklung, die viele Jahre gebraucht hat. Und die Mediation? Nun, sie ist noch weit davon entfernt, selbstverständlich zu sein. Doch wir erleben in unserer Praxis zunehmend, dass eine neue Generation von Managern und Führungskräften mit genau dieser Selbstverständlichkeit auf Mediation und den Einsatz von Mediatoren für die Lösung von Konflikten zurückgreift. Für sie sind Konflikte eine Selbstverständlichkeit und sie haben ein großes Interesse daran, diese in wertschöpfende Lösungen zu transformieren. Gleichzeitig kommen auch erfahrene Manager und Unternehmer angesichts einer zunehmend komplexen Welt an die Grenzen ihrer traditionellen Verfahren. Auch sie sind auf der Suche nach Möglichkeiten, mit Unterschiedlichkeiten und Vielfalt konstruktiv umzugehen. Sie sind darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich aktiv bei der Lösung von Problemen und Konflikten im Unternehmen einbringen. Auch erfahrene Manager greifen daher immer öfter auf die Mediation zurück.

Hier zeigt sich, dass wir dem Phänomen Mediation nicht gerecht werden, wenn wir es auf bloßes „Fälle-zählen“ reduzieren. Das Thema ist sehr viel größer. Die Integration mediativer Kompetenzen in allen Bereichen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft schafft die Kultur, die wir brauchen, um die Herausforderungen einer immer komplexer werdenden Welt erfolgreich zu bewältigen.

Konnte diese Entwicklung Eingang im Evaluationsbericht finden? Aufgrund der Vorgaben leider nicht. Zu kurz der Zeitraum, der untersucht wurde, zu eng die Gruppe der Befragten, zu wenig Vergleichsdaten – bei aller Sorgfalt der Durchführung und Bandbreite der Instrumente, die zur Anwendung kamen. Der Bericht muss hier notwendig blind bleiben. Eine der Quellen der Verzerrung, die darin ihre Ursache hat, dass man die Wirkung eines Gesetzes evaluieren sollte und nicht den Blick auf eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung richtete. Auch Wissenschaft muss frei sein, und sollte nicht seinen Untersuchungsgegenstand vorgeschrieben bekommen. Wir erfahren also nichts darüber, das und wie Mediation immer bekannter und akzeptierter wird. Eine Entwicklung, die sich unmittelbar offenbart, wenn man zumindest die letzten 20 Jahre in den Blick nimmt.

Die Moderne ist auf Kooperation gebaut

Welche Faktoren haben also die zunehmende Akzeptanz von Mediation in Deutschland in den letzten 20 Jahren begünstigt? Die technische Entwicklung übt seit zweieinhalb Jahrhunderten einen permanenten Anpassungsdruck auf die Gesellschaft aus. Ihr Kennzeichen ist der Fortschritt. Die Moderne ist der Versuch diesen Fortschritt mit seinen Chancen und Risiken zu gestalten. Dafür braucht es Menschen, die autonom und frei agieren und fähig sind eigene Entscheidungen zu treffen und zu verantworten. Ohne Individualisierung keine Moderne. Die Moderne führte dazu, dass Menschen in allen Bereichen ihres Lebens eigenverantwortlich handeln – sie treffen Entscheidungen darüber, was sie essen, ob und wie viel Sport sie treiben, was und wie sie verantwortlich konsumieren, mit wem und wie sie leben wollen, wie sie sich informieren, wie und welche Informationen sie teilen, was und wie sie arbeiten wollen etc..

Menschen, die gewohnt sind, für sich selbst Entscheidungen zu treffen, die sich privat und beruflich nicht einfach einer Autorität unterwerfen, wollen auch im Konfliktfall eigenverantwortlich handeln, sich dem Problem stellen und die Entscheidung nicht an eine höhere Instanz delegieren. Kommen sie in Positionen mit  Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, dann fordern und fördern sie Eigenverantwortung auch im Konfliktfall. Die Komplexität ihrer Aufgaben und Herausforderungen kommt ihnen dabei entgegen, da sie sich eindimensionalen Lösungen verschließt.

Die moderne Welt ist voller Widersprüche und Spannungen, für die immer wieder ein neuer Ausgleich durch neue Antworten gefunden werden muss. Diese Aufgabe ist nicht abschließend lösbar, sondern verlangt immer neue Verständigungen und Einigungen zwischen allen Beteiligten. Gerade aus den Spannungen und Widersprüchen gewinnt die Moderne das was wir Fortschritt nennen. Dabei geht es nicht um das Gewinnen, sondern um Kooperation.

Mediation ist das zeitgemäße Verfahren für eine komplexe Welt

Mediation, dass weiß jeder, der mit diesem faszinierenden Verfahren arbeiten darf, setzt genau hier an. Die zunehmende Akzeptanz und steigende Nachfrage nach Mediation in Wirtschaft und Gesellschaft hat meines Erachtens genau hier einen ihrer wichtigsten Treiber. Mediation ist gesellschaftlich gelebte soziale Teilhabe. In der Wirtschaft unterstützt sie die aktuellen Ansätze, die das Wissen, die Erfahrungen und das Wollen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Mittelpunkt unternehmerischen Handelns stellt, um Innovationsfähigkeit und Zukunftssicherheit zu schaffen. In einer komplexen, interdependenten Welt sind Entscheidungen immer von Unsicherheit geprägt und brauchen daher die Vielfalt der Perspektiven und das Wissen und die Erfahrungen aller.

Betroffene müssen Beteiligte werden, nur so kann ein Unternehmen sich erfolgreich weiter entwickeln. Und auch in der staatlichen Arena wird Mediation zunehmend nachgefragt. Die globalen Probleme können nur gemeinschaftlich gelöst werden. Dies geht nur, wenn ein Austausch unterschiedlicher Perspektiven, Meinungen und Standpunkte konstruktiv gelingt. Hier leisten Mediatoren, ob für die UNO oder andere Weltorganisationen, ob bei NGO’s oder bei den zahlreichen Multi-Stake-Holder Dialogen wertvolle Arbeit, ohne die Lösungen nicht möglich sind.

Freiräume schaffen ist die beste Förderung für Mediation

Wie also kann ein Staat dieses Verfahren, in dem freie Bürger miteinander eigenverantwortlich Lösungen finden, fördern? So verständlich die Forderung nach Regularien und Fördermitteln auch auf den ersten Blick sein mag. Mediation ist ein Kulturgut, sie braucht die Freiheit sich selbst zu entwickeln. Sie braucht die Eigenverantwortung der Mediatoren, die nur dann glaubwürdig an die Eigenverantwortung der Medianden appellieren können. Staatliche Unterstützung kann somit darin bestehen, dass diese Räume geschaffen und gesichert werden. Das Mediationsgesetz schafft hierfür einen hervorragenden Rahmen. Es setzt auf Eigenverantwortung und gibt uns Mediatoren den notwendigen Freiraum, um die Mediation in alle Bereiche weiter zu entwickeln. Das Bundesjustizministerium fördert daher die Mediation am besten dadurch, indem es den Forderungen nach Regulierung nicht nachgibt.

Mediation braucht Menschen, die teilhaben können und wollen

Wer Mediation fördern will, der sollte in Bildung investieren. Menschen, die gut gebildet sind, unterschiedliche Perspektiven wahrnehmen können und deren Empathiefähigkeit entwickelt ist, werden im Konfliktfall den Dialog suchen und ihre Angelegenheiten gemeinsam selbst regeln wollen. Sie werden nur ungern die Entscheidung an einen Richter oder Chef delegieren. Wir brauchen mehr Projekte, die Mediation bereits in den Schulen und Hochschulen vermitteln und Räume schaffen, in denen diese eingeübt werden kann. Wenn der Staat fördernd eingreifen will, hat er hier ein umfassendes Betätigungsfeld. Wir haben in den 90er Jahren mit den ersten „Konfliktlotsenprojekten“ in Schulen hervorragende Erfahrungen machen dürfen. Solche Projekte müssen bundesweit immer wieder neu initiiert und weiter geführt werden.

Wer Mediation fördern will, der muss soziale Teilhabe fördern. Menschen, die sich von den Herausforderungen einer global vernetzten Welt bedroht fühlen, die das Gefühl haben, nur noch Beobachter oder sogar Opfer zu sein, werden wir auch dadurch wieder integrieren können, indem wir Räume schaffen, in denen Austausch, Teilhabe und Mitbestimmung möglich werden. Doch Teilhabe in einer demokratischen Gesellschaft ist anstrengend. Sie erfordert gebildete Menschen, die sich informieren und eine Streitkultur pflegen können, in der die konstruktive Auseinandersetzung um die beste Lösung das Ziel ist und nicht die Bekämpfung von Gegnern. Schulen, Hochschulen, Ausbildungsstätten und Qualitätsmedien sind wesentliche Elemente für die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer kritischen Bürgergesellschaft.  Der Staat steht in der Pflicht, diese Rahmenbedingungen zu schaffen, zu fördern und zu schützen. Dies wird in einer Welt, in der immer mehr Menschen auf Vielfalt, Komplexität und die Folgen einer als ungezügelt wahrgenommenen Globalisierung mit autoritativen Antworten reagieren, entscheidend sein. Wenn wir also über die Förderung der Mediation durch den Staat sprechen, dann sollten wir groß denken und nicht an Mediationsbeihilfen.

 

Partizipation ist zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil geworden

In der Wirtschaft brauchen wir mehr Mediatoren in den Unternehmen. Idealerweise nimmt jede Führungskraft eine Ausbildung in Mediation in Anspruch. Führungskräfte, die eine Mediationsausbildung absolviert haben, berichten regelmäßig, dass sie ihren Aufgaben anschließend sehr viel besser gerecht werden können. Unternehmen, in denen mediative Führungskompetenz etabliert ist, performen nachweislich besser und sichern sich nicht nur ihre Innovationskraft, sondern stärken auch ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Die Aufgabe von Wirtschaftsverbänden ist daher, ihre Mitgliedsunternehmen gezielt zu informieren und über das Potential der Mediation aufzuklären. Der Staat selbst kann Mediation ganz praktisch dadurch fördern, dass er in alle Verträge, die die öffentliche Hand mit Unternehmen und Dienstleistern macht, Mediationsklauseln aufnimmt. Der Staat kann Mediation fördern, indem er die Bürgerbeteiligungsverfahren weiter entwickelt und mit professionellen Mediatoren durchführt. Dort wo es geschieht, sind in der überwiegenden Anzahl der Fälle enorme Potentiale gehoben worden und gute Lösungen einvernehmlich gefunden worden. Dass dies auch eine Stärkung der Zivilgesellschaft zur Folge hat, ist nur eine der positiven Folgen. Die Medien können Mediation dadurch fördern, dass Journalisten über Mediationsverfahren berichten und die dort gefundenen Lösungen nicht als „Kompromiss“ diskreditieren. Gerade deutsche Medien können sich hier an ihren anglo-amerikanischen Kolleginnen und Kollegen orientieren, die Mediationen eben auch Mediation nennen und nicht nur einfach Verhandlungen.

Der Streit um die Qualität der Ausbildungen von Mediatoren

Und wie sieht es mit der von den Verbänden geforderten Verbesserung der Qualität und Standardisierung der Ausbildung aus? Der Gesetzgeber legt dies in die Verantwortung jedes einzelnen Mediators und jeder einzelnen Mediatorin. Sie haben selbst dafür zu sorgen, dass sie eine angemessene Ausbildung haben. Dafür hat der Gesetzgeber dann noch eine Ausbildungsverordnung erlassen, welche die Eckpunkte und Inhalte einer angemessenen Ausbildung definiert und Anforderungen an Supervision und Weiterbildung für den „zertifizierten Mediator“ vorschreibt. Misst man das an den Prinzipien der Eigenverantwortung und der Freiwilligkeit, die beide für die Mediation durchaus wesentlich sind, so kann man den Eindruck bekommen, die Menschen im Ministerium haben gut zugehört bei den Expertenanhörungen. Sie haben verstanden, was Mediation ist.

Wieso also jetzt diese Forderungen der Verbände? Was erhoffen sich die Verbände davon, dass sie das unter ihrer Regie regulieren und kontrollieren wollen? Wieso wollen sie den Mediatoren die Verantwortung dafür wegnehmen und sie überwachen?  Trauen sie ihren eigenen Mitgliedern nicht zu, dass sie dies als Mediatoren eigenverantwortlich tun können? Glauben sie wirklich, dass Kontrolle und Regulierung – auch wenn sie privatrechtlich ausgeführt wird – der richtige Weg ist, um dialogische Lösungen zu schaffen?

Um Missverständnisse vorzubeugen. Die Qualität der Mediation ist ein Anliegen, dass jeden umtreibt, der sich hier engagiert. Wie können wir die Qualität der Ausbildung der Mediation fördern, ohne ihre Grundprinzipien zu verletzten und damit die Mediation zu schwächen? Wenn wir die Qualität fördern wollen, dann sollten wir den Kunden die Wahl lassen. Gute Mediatoren werden weiter empfohlen, schlechte nicht. So einfach ist das. Auch wenn man kein glühender Anhänger des sogenannten freien Marktes ist, bei der Begleitung in Konfliktfällen siegt die Qualität über den Preis. Es ist also im eigenen Interesse jedes Mediators und jeder Mediatorin, gut qualifiziert zu sein und sich permanent weiter zu entwickeln. Das würde auch gelten, wenn es eine einheitliche Kontrolle durch eine Zertifizierungsstelle gebe. Es wäre also nichts gewonnen. Nur würden dann noch ganz andere Qualitäten eine Rolle spielen: Wer kann am besten Formulare ausfüllen und vorgegebene Regularien erfüllen. Glauben wir wirklich, dass das Kernkompetenzen von Mediatoren sind? Und wer sollte die Zertifizierung durchführen? Am Ende zertifizieren dann passive Mediatoren, die keine Fälle, kein Einkommen aber Zeit haben, die aktiven Mediatoren. Und die aktiven Mediatoren finanzieren die Zertifizierungsstellen mit ihren Einnahmen. Das wäre dann in der Tat eine absurde Welt.

Mediation in den Mittelpunkt stellen

Ich denke, wir sollten uns entspannen und statt unsere Energie auf die Frage zu verschwenden, wie wir eine landesweite Überprüfung von Ausbildungen und Mediatoren aufbauen können, uns auf die Mediation selbst konzentrieren. Sprechen wir lieber mehr über ihre nachweisbaren Vorteile, fördern wir die Rahmenbedingungen durch Investitionen in Bildung und Bürgerbeteiligungen und erforschen wir gemeinsam, was wir brauchen, um die Mediation inhaltlich noch besser zu machen.

Es gibt also zahlreiche Ansatzpunkte, wie man das Kulturgut Mediation fördern kann. Staatliche Regulierung und Fördermittel gehören aus den angegeben Gründen nicht dazu. Sie sind eher Ausdruck eines etatistischen Verständnisses und schwächen das Verfahren der Mediation. So verständlich der Wunsch nach direkten staatlichen Interventionen auch sein mag. Es ist kurzfristig gedacht und wird das Gegenteil von dem bewirken, was intendiert ist.  Mediation ist ein zivilgesellschaftliches Verfahren, stattliche Interventionen schwächen es daher prinzipiell. Die Anzahl der Mediationsfälle ist daher auch ein Indikator dafür, wie stark eine Zivilgesellschaft in einem Staat bereits ist. Hier zeigt uns der Evaluationsbericht, dass wir noch ein erhebliches Potential haben.

Es liegt an uns, es zu nutzen. Niemand legt uns hier Steine in den Weg. Wir sollten daher auch nicht fordern, dass solche Steine ausgerollt werden.